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EXKURSION: HONIGBIENEN GLOBAL

Eindrücke von Honigbienen und Imker:innen

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Yanik Fuchs
mnzz.ink

Imkerei Tamazi - Baisubani, Georgien

Ein uralter, blauer Lada aus der Sowjetzeit, bis oben mit Honigwaben gefüllt, holpert an uns vorbei. Darin sitzt Tamazi, ein grosser, 62-jähriger Georgier mit lauter Stimme und freundlichem Lächeln. Da wir  an seinen zwei vergitterten Traktorwagen mit  ungefähr 70 Bienenkasten (Dadant- und US-Beuten) interessiert sind, erklärt uns der Imker mithilfe des Sonnenstandes, dass er am Nachmittag nochmals zu den Bienen schauen werde.  Darauf schneidet er aus einer Wabe zwei grösse mit Honig gefüllte Stücke, und schenkt sie uns. 

Drei Stunden später sitzt Tamazi auf einem kleinen Hocker bei seinen Bienen und übergiesst deren Waben mit einem Thymol-Wasser Gemisch. Thymol ist ein natürlicher Terpenalkohol, der in den ätherischen Ölen von Thymian, Oregano oder Ajowan enthalten ist. Tamazi erklärt mithilfe einer Übersetzungsapp, dass er die Bienen heute  gegen die Varroose, dem Befall des Volkes durch die parasitäre Varroamilbe, behandelt. 

Die ungefähr 1-1.5 mm grosse Milbe ernährt und vermehrt sich in der Brut, indem sie an der Bienenlarve saugt und in der Brutzelle 5-6 eigene Eier legt. Auch ausgewachsene Bienen werden von der Milbe befallen und so benutzt, um in andere Bienenstöcke zu gelangen. Durch die menschliche Verschleppung von Honigbienenvölkern ist es diesem kleinen Parasiten, der ursprünglich aus Südostasien stammt, in den letzten 60 Jahren gelungen, sich nahezu auf der ganzen Welt zu verbreiten. Stark befallene Bienenvölker sind anfälliger auf virale und bakterielle Krankheiten und haben mit Brutverlust und Verstümmelungen der Arbeiterinnen zu kämpfen. Ist Milbenbefall im Volk zu stark, kollabiert es. Das heisst, die darin lebenden Bienen sterben. Die allermeisten Bienenvölker können die Milbe nicht oder nur sehr schlecht bekämpfen. Deshalb muss auch Tamazi den Völkern helfen, die Varroose unter Kontrolle zu halten. Thymol greift in 

gasförmigem Zustand die Aussenhülle der Milbe, den sogenannten Chitinpanzer, an. Dadurch sterben die meisten Milben. Die Überlebenden werden den Winter im Bienenstock verbringen, sich im kommenden Frühling vermehren und die Bienen erneut schädigen. Tamazin schüttelt besorgt den Kopf, er sei sehr unzufrieden mit der Grösse und der Flugaktivität seiner Völker, die nun stark genug für den Winter sein sollten. Da Futtermangel in diesem Gebiet kein Thema sei, müsse es der Varroabefall sein, der seine Völker schwächt, erklärt Tamazin. Bereits nach dem letzten Winter hat er 30 seiner 70 Völker wegen der Varroose verloren. Da Tamazi vom Imkern lebt, trifft ihn dieses Völkersterben besonders hart. Sein Honigertrag und dadurch sein Einkommen haben sich markant verkleinert. 

Von einem gesunden Volk könne er in der Regel 45 Kilogramm Honig ernten. Diesen Ertrag erreicht er nur, indem er seine Bienenvölker auf den zwei Traktorwagen über das Jahr an verschiedenen Standorten sammeln lässt. Dabei muss der sogenannte Wanderimker nur in einem Radius von ungefähr 20 Kilometern reisen, da in der Region Kachetien 4 Klimazonen nahe beieinander liegen. Im Frühling sammeln seine Bienen im flachen, steppigen Gebiet nahe Lagodekhis Akazienhonig. Während der heissen Sommermonate stellt Tamazi die Völker am waldigen Fusse des Kaukasuses ab, umgeben von Waldpflanzenn wie zum Beispiel der Brombeere. Im Herbst, auf einer offenen Wiese nur einige Kilometer von seinem Zuhause entfernt melken seine Bienen im nahegelegen Wald Honigtau von Blattläusen oder saugen den letzten Nektar aus den vereinzelt noch blühenden Königskerzen. An diesem Ort lässt Tamazi seine Völker auch überwintern und hofft, dass sie nächstes Jahr gesund in den Frühling starten können.

10. November 2021

Imkerei Nodar - Lagodekhi, Georgien

Kaha, ein Weingutbesitzer aus der Region Kakheti, dem wir für ein paar Tagen auf seinem Weingut aushelfen durftenbringt uns um 09:00 morgens zu seinem Freund und Imker Nodar. Dieser ist bereits wach, dennoch scheint es nicht so, als ob er uns so früh erwartet hatte. Trotzdem begrüsst er uns herzlich mit Nasen-Mund-Maske ausgerüstet und zeigt uns seine Bienen. Die Aussentemperatur beträgt ungefähr 10° Celsius, die Sonne hat seinen Garten, wo er die 20 Dadant-Bienenkasten aufgestellt hat, noch nicht erreicht. Die Bienen fliegen noch nicht. 

Im letzten Winter (2020/2021) habe er 17 seiner 19 eingewinterten Völker verloren, erzählt er. Aus den zwei Übriggebliebenen machte er im Frühling Ableger und konnte so sechs gesunde Völker aufziehen. Er erklärt den grossen Völkerverlust mit der Varroose, dem Befall des Volkes durch die parasitäre Varroamilbe. Damit sich die Milbe nicht zu stark in seinen Völkern ausbreitet, behandelt er seine Völker im Frühling und vor dem Einwintern im Herbst mit Thymol, das für die Milbe toxisch wirkt. Die Behandlung habe aber im letzten Jahr nicht die erwartete Wirkung gezeigt, deshalb das hohe Völkersterben, vermutet Nodar. Auf die Frage ob Pestizide nicht auch eine Rolle

spielen könnten, erklärt er, dass im Umkreis von 2 Kilometern keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden. Normalerweise erntet Nodar pro Volk 10-15 Kilogramm Honig. Die Bienen tragen vor allem Nektar von der Akazie, der Linde und dem Hartriegel ein. Viel Regen im Frühling kann die Blüten der Akazie, der wichtigsten Futterquelle der Bienen in dieser Region, verletzen und zu Ertragsverlusten führen. Dieses Jahr gab es wegen der grossen Völkerverluste keinen Honig. Die neuen Völker haben den Honig und die Pollen selber gebraucht, um neue Waben zu bauen und die Brut zu füttern. 

Anders als in Westeuropa lebt in Georgien vorwiegend die Kaukasische Honigbiene (Apis Mellifera Caucasia), eine Unterart der Westlichen Honigbiene. Sie weist einen längeren Rüssel (7.2mm) als die in der Schweiz üblichen Carnica Honigbiene (6.6mm) oder als die ursprünglich auf der Alpennordseite einheimischen Dunklen Europäischen Honigbiene (6.2mm) auf. Nodar erklärt, dass sie mit dem längeren Rüssel auch dort Nektar erreicht, wo keine andere verwandte Unterart hinkommt.

07. November 2021

Imkerei Kajevic Mustafa - Bihac, Bosnien

In Bihac, einer bosnischen Stadt nahe der kroatischen Grenze, treffen Bosnier:innen auf Geflüchtete aus Afghanistan und Pakistan sowie auf humanitäre Helfer:innen. People on the Move (POMs), wie die Geflüchteten von humanitären Gruppierungen genannt werden, versuchen von hier aus über die grüne Grenze zwischen Bosnien und Kroatien in die europäische Union zu gelangen. Oftmals erfolglos. Die POMs werden von der kroatischen Polizei geschnappt, ausgeraubt, verprügelt und mit Transportfahrzeugen ohne Fenster an die bosnische Grenze zurückgefahren, wo sie völkerrechtswidrig gezwungen werden zurück nach Bosnien zu gehen.Inmitten dieser humanitären Krise hält Mustafa seit einigen Jahren 30-40 Honigbienenvölker in einem Vorort von Bihac. Der 51-jährige Bosnier spricht fliessend Deutsch aus früheren arbeitsbedingten Aufenthalten in Deutschland. Verschwitz und mit einem Lächeln im Gesicht

empfängt Mustafa uns auf seinem Grundstück. Mit einem Crowdfunding konnte er 1'611 Euro auftreiben, womit er sich vor fünf Jahren die notwenige Ausrüstung zum Imkern kaufen konnte. Mitten in seinen Garten stehen die farbigen Beuten. Er arbeitet mit Dadant-Beuten, benutzt aber grössere Honigräume als sie in der Schweiz üblich sind.

Die Bienen sind auffällig aggressiv. Mustafa meint diese Aggressivität komme davon, dass er keine gezüchteten Königinnen einsetze und vollständig auf Standbegattung setze, also auf die natürliche Begattung der Königin durch Drohnen von umliegenden Bienenvölkern.

Es störe ihn aber keineswegs, dass die Bienen stechfreudig sind. Er erzählt, dass dieses Jahr ein besonders schlechtes gewesen sei. Ungefähr 10 Völker habe er seit dem Frühling verloren. Er wisse auch nicht genau was die Gründe dafür seien. Er vermutet, dass die Varroa Milbe und der kalte Winter eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auch Honig wird er dieses Jahr keinen ernten. Der Sommer war viel zu trocken. Kein Regen, keine Blüten, kein Honig. Er erklärt aufgebracht, dass trotz des trockenen und blütenarmen Sommers viele Imker Honig ernten und verkaufen würden. Sie füttern ihre Bienenvölker mit Zuckerwasser, welches die Bienen wie Nektar in ihre Waben einlagern und eindicken. Das daraus gewonnene Produkt sieht zwar aus wie Honig, es fehlen aber wichtige Inhaltstoffe.

Die kleine Imkerei ist für Mustafa keineswegs nur ein Hobby. Neben unregelmässigen und schlechtbezahlten Arbeiten im Baugewerbe ist der Honigverkauf seine einzige Einkommensquelle. Trotz des schlechten Jahres und der ausgebliebenen Honigernte hat Mustafa den Murt nicht verloren. Am liebsten möchte er in Deutschland oder in der Schweiz Imker:innenkurse anbieten, um sein Wissen weiterzugeben und Geld zu verdienen. Auf die Frage, weshalb er solche Kurse nicht einfach in Bosnien anbiete, antwortet er, dass sich die Menschen in diesem Land solche Kurse einfach nicht leisten können.

10. September 2021

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Imkerei Willhelm Tartler - Sibiu, Rumänien

Der Bio-Wanderimker Wilhelm Tartler betreut 300-400 Bienenvölker. Von April bis Juli reist er mit den Bienen vom Süden Rumäniens zurück zu seinem gepachteten Grundstück in Hamba, auf dem sich sein Wohnhaus und seine Imkerei befinden. Im Frühling bringt er die Völker in die Raps. Danach sammeln die Bienen Akaziennektar an drei Standorten. Wenn die Bienen am ersten Standort nicht mehr eintragen, reist er weiter zum nächsten Standort. Im August, Zuhause angekommen, sammeln seine Völker am Waldrand Nektar von, Himbeeren oder Brombeeren und im Wald Honigtau, ein süsses Exkret, das die Bienen direkt von Blattläusen melken. Am Ende des Sommers haben die gesunden Völker 40-50 kg Honig eingetragen. Den abgefüllten Honig und Pollenkörner verkauft Willi auf dem Markt in Sibiu oder an Händler:innen aus Rumänien, Deutschland oder der Schweiz. In diesem ertragsreichen Jahr exportiert er sogar ganze Fässer voll Honig an einen Abnehmer aus der Schweiz. Für das Kilo erhält er 9 Euro. Soviel kann er hier in Rumänien nur verlangen, wenn er die Gläser selber abfüllt. Willi finanziert mit der Imkerei sich und seine Familie und ist deshalb besonders abhängig von gesunden Bienen und möglichst unbehandelten Futterpflanzen.

Auf die Frage, wie sich die Wanderei auf die Gesundheit der Bienen auswirkt, antwortet er, dass dies sicherlich stressig für die Völker sei. Vergleiche man es aber mit der Wanderimkerei, wie sie zum Beispiel in den USA praktiziert werde, sei seine Art viel weniger belastend, da er weniger weite Distanzen und nachts reise. Er erklärt, dass Imkern generell nicht der Natur der Honigbiene entspreche und dass Bienen Nutztiere seien, so wie Kühe. Wie naturnah und sorgfältig mit den Bienen umgegangen werde, entscheiden Imker:innen selber. Als Bio-Imker muss er darauf achten, dass seinen Bienen möglichst keine mit Pflanzenschutzmittel behandelte Blüten anfliegen. Er fügt aber hinzu, dass es unmöglich sei, dies in jedem Fall zu garantieren, da im Flugradius von 3 Kilometern oftmals irgendwo Pflanzenschutzmittel eingesetzt worden seien. Seine Bienen lässt er nicht mehr in der Nähe von Sonnenblumenfeldern fliegen, denn vor einigen Jahren hat er unzählige Völker verloren, weil er sie bei mit Insektiziden behandelte Sonnenblumenfeldern platzierte habe. Die Völker seien nicht sofort gestorben, sondern erst ein paar Monate nach der Kontamination mit den Pflanzenschutzmitteln. Damit er seinen Honig mit dem Bio-Label deklarieren darf, muss er verschiedene Kriterien erfüllen. Unter anderem muss er einen geschlossenen Wachskreislauf vorweisen, das heisst er darf nur den von seinen eigenen Bienen produzierten Wachs für die Herstellung von neuen Mittelwänden verwenden. Weiter werden vom EU-Bio-Label auch Honig- und Pollenproben genommen und auf Rückstände von Pestiziden und anderen Giftstoffen geprüft. Neben Pestiziden und der Wanderei macht rumänischen Honigbienen auch ein Fressfeind zu schaffen. Der Braunbär zerstört ganze Beuten und nimmt dabei hunderte Bienenstiche in Kauf, um an das süsse Gold zu gelangen. «Der Bärenbestand wird in den Karpaten absichtlich hochgehalten, damit reiche Europäer:innen in den Ferien wilde Bären schiessen können» erklärt Tartler. An der touristischen Bärenjagd verdiene die rumänische Regierung zwar Geld, da für jeden geschossenen Bären eine hohe Gebühr bezahlt werden müsse, jedoch nehmen durch die künstlich erhöhte Bärenpopulation auch die Schäden von Bären in der Imkerei und Landwirtschaft zu. Solche

Schäden würden von der Regierung aber keineswegs fair entschädigt. Zudem bedeutet es   für die geschädigte Person ein grosser administrativer Aufwand, um auch nur eine kleine Entschädigung zu erhalten. Wilhelm bleibt seit einigen Jahren nichts anderes übrig, als seine Bienenvölker mit elektrischen Zäunen vor Bärenangriffen zu schützen. Dies bedeutet für ihn jedoch einen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand. Unterstützung erhält dafür vom Staat keine.

Seine Völker seien aber trotz verschiedener Stressfaktoren gesund, erklärt Tartler. Auch die Varroa - eine Milbe, die sich in der Brut vermehrt, zu Verstümmelungen bei erwachsenen Bienen führt und sich von deren Fettkörpern ernährt - habe er unter Kontrolle. Er behandle die Völker im Herbst und Winter mit Oxalsäure aus dem Verdampfer. Früher habe er Ameisensäure zur Behandlung verwendet. Wegen der erhöhten Temperaturen der letzten Jahre als Folge der Klimaerwärmung, verdampfe Ameisensäure in der Beute zu schnell, um genügend Wirkung bei der Bekämpfung der Varroa entfalten zu können. Sie sei deshalb weniger effektiv geworden.

Jetzt vor der Einwinterung der Völker füttert Tartler seine Völker nochmals mit einer Zuckerwasserlösung im Verhältnis 1:1. Damit ein Volk in Hamba durch den Winter kommt, braucht es ungefähr 15 kg Winterfutter. Nach der Fütterung und den Varoabehandlungen lässt Tatler seine Völker den ganzen Winter durch in Ruhe. Dies ist wichtig, damit die Bienen ungestört in ihrer energiesparsamen Wintertraube verweilen können. Bei gutem Wetter im Februar engt er die Völker ein. Er entnimmt leere Waben und verkleinert das Volumen des Bienenkastens mit einer Trennwand, dem Schied. Dadurch verbrauchen die Bienen weniger Energie, um die Temperatur über der Brut auf 34.5° Celsius halten zu können. So können sie sich frühzeitig auf die Pflege und Fütterung der Brut konzentrieren. Sobald die Aussentemperaturen über 14° Celsius sind, fliegen die Bienen und suchen nach Pollen und ersten Blüten. Eine neues Bienenjahr beginnt.

 

28. August 2021

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